‘GREENHOUSE’, 2006, Reagenzien aus Rotwein und Kupferchlorid auf Floatglas, Perspex, Aluminiumkonstruktion, 350x180x200 cm
‘GREENHOUSE’, 2006, Reagenzien aus Rotwein und Kupferchlorid auf Floatglas, Perspex, Aluminiumkonstruktion, 350x180x200 cm
In den 1920er Jahren wurde im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsauftrags die Kupferchlorid-Kristallisationsmethode entwickelt. Mit ihr lässt sich die energetische Gestaltkraft von Lebensmitteln bestimmen.
Das Kristallisationsbild von Kupferchlorid ist an sich chaotisch und ohne erkennbare Ordnung. Sobald jedoch ein wässriger Auszug eines Nahrungsmittels mit hoher Lebensenergie hinzugefügt wird, richten sich die unzähligen haarfeinen Kristalle in geordneten Mustern aus. Sie reagieren wie Eisenspäne in einem Magnetfeld. Verfügt ein Lebensmittel nicht über die nötige Formkraft, etwa nach zu langer Lagerung, so nimmt es keinen Einfluss und das Chaos des ursprünglichen Kristallisationsbildes bleibt unverändert. Auf dieser Forschungsgrundlage begann ich 2004 mit eigenen Versuchsreihen.
Im Vordergrund meiner Untersuchungen stand die Frage, inwieweit sich Erkenntnisse ableiten und in einen kunsthistorisch relevanten Kontext einbringen ließen.
Bei Versuchsreihen mit Rotwein erschienen in der flüssigen Lösung noch vor der Auskristallisierung Bilder, die an Weinrebstöcke erinnern. Sie entstehen völlig autonom innerhalb einer Zeitspanne von 5 bis 7 Stunden durch Verdichtung der im Wein enthaltenen Pigmentanteile und Schwebepartikel.
Nicht weniger spannend als diese Reagenz-Bilder erscheinen mir die Fragen, die sich aus den Betrachtungen aufdrängen. Existiert ein abrufbares ikonografisches Gedächtnis in unseren Lebensmitteln? Müssen wir unsere Auffassung von Materie einer Revision unterziehen? Trinken und essen wir morphologisch codierte Bilder, die wir kontinuierlich verinnerlichen? Welches Verhalten evozieren solche Bilder in der Öffentlichkeit im Kontext einer Kunstinstallation? Welche latenten Wahrnehmungspotentiale stehen uns zur Verfügung und wie muss Kunst, die uns frische Rezeption ermöglicht, heute beschaffen sein?
Robert Huber